Genie und Alltagsverstand.

Fragonard, Un philosophe

Man kann, wie gesagt, vor dem, was aus einem Handeln entsteht, das Handeln selbst und die bestimmte Handelsweise nicht wahrnehmen. Für den gewöhnlichen Menschen und auf dem Standpunkte des gemeinen Bewusstseins gibt es nur Objekte und keine Begriffe; der Begriff verschwindet im Objekte und fällt mit ihm zusammen. 

Das philosophische Genie, d. h. das Talent, in und während des Handelns selbst nicht nur das, was in ihm entsteht, sondern auch das Handeln als solches zu finden, diese ganz entgegengesetzten Richtungen in einer Auffassung zu vereinigen und so seinen eigenen Geist auf der Tat zu ergreifen, entdeckte zuerst beim Objekte den Begriff; und der Umfang des Geistes erhielt ein neues Gebiet
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 5


Nota. -  Nur das Handeln ist anschaubar, alles andere muss man denken. Das Handeln ist aber nur in seinen Produkten anschaubar - sofern sie zu Objekten werden. -

Der Begriff ist leblos, weil in ihm Handeln als Ruhe dargestellt ist. Das Objekt ist tot, weil in ihm ein Handeln gar nicht vorkommt. Ihm gegenüber gewinnt der Begriff an Leben, weil in ihm das Handeln wenigstens als Spur erhalten blieb. Doch im Bewusstsein des geschäftigen Alltags versinkt auch noch diese Spur ganz im Objekt. Der Begriff, die Bestimmung, geht unter im Bestimmten. Das ist der nachhaltige Grund für unsern alltäglichen Dogmatismus (ohne den wir wohlbemerkt unser Tagwerk nicht verrichten könnten). 

Die Transzendentalphilosophie wird nicht "das philosophische Genie", das kritische Denken, zu einem Alltäg- lichen machen; sie kann es nicht einmal wollen. Doch gegenüber den Dogmatismen der positiven Wissenschaf- ten wird sie als Instanz ihre kritische Stellung behaupten. 

Selbst das brächte auf die Dauer nicht viel, wenn es nicht im Alltag verstreut hier und da, überall lebendige kri- tische Köpfe gäbe, die den regulären Mainstream immer wieder mal fermentieren.
JE