Maria Reinfeld, pixelio.de
Der Charakter der Vernünftigkeit besteht darin, dass das Handelnde und das Behandelte Eins sei und eben- dasselbe; und durch diese Beschreibung ist der Umkreis der Vernunft als solcher erschöpft. -
Der Sprachgebrauch hat diesen erhabenen Begriff für diejenigen, die desselben fähig sind, d. h. für diejenigen, die der Abstraktion von ihrem eigenen Ich fähig sind, in dem Worte: Ich, niedergelegt. Darum ist die Vernunft überhaupt durch die Ichheit charakterisiert worden.
Was für ein vernünftiges Wesen da ist, ist in ihm da; aber es ist nichts in ihm, außer zufolge eines Handelns auf sich selbst. Was es anschaut, schaut es in sich selbst an; aber es ist in ihm nichts anzuschauen, als ein Handeln, und das Ich selbst ist nichts anderes, als ein Handeln auf sich selbst.*
*) Ich möchte nicht einmal sagen: ein Handelndes, um nicht der Vorstellung eines Substrats, in welchem die Kraft eingewickelt liege, zu veranlassen. - Man hat unter anderem gegen die Wissenschaftslehre so argumen- tiert, als ob sie ein Ich als ohne Zutun des Ich vorhandenes Substrat (ein Ich als Ding an sich) der Philosophie zum Grunde legte. Wie konnte man doch das, da die Ableitung alles Substrats aus der notwendigen Handels- weise des Ich etwas derselben Eigentümliches und ihr vorzüglich Angele-/genes ist?
Doch ich kann wohl sagen, wie man es konnte und musste. Diese Leute können ohne ein Substrat nunmal nichts anfangen, weil es ihnen unmöglich ist, sich vom Gesichtspunkte der gemeinen Erfahrung auf den Ge- sichtspunkt der Philosophie zu erheben. Sie beschenkten sonach mit dem Substrate, das sie selber aus ihrem eigenen Vorrate mit hinzubrachten, die Wissenschaftslehre und züchtigten nun, nicht als ob sie die Irrigkeit der Sache selbst eingesehen hätten, sondern weil Kant ein solches Substrat des Ich abweist, diese Wissenschaft füt ihre eigene Unfähigkeit.
Sie haben ihr Substrat woanders - in dem alten Ding an sich, außer dem Ich. Dafür finden sie in dem Buch- staben Kants von einem Mannigfaltigen für die mögliche Erfahrung eine Berechtigung. Was dieses Mannigfal- tige bei Kant sei und woher es komme, haben sie nie begriffen. Wann werden doch diese Leute aufhören, über Dinge mitzusprechrn, für die sich ihnen ihre Natur versagt?
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 1f.
Das Anschauen und
Wollen geht dem Ich weder vorher noch nachher, sondern es ist selbst das
Ich; es ge- schieht beides nur, inwiefern das Ich sich selbst setzt, es
geschieht nur in diesem Setzen und durch dieses Setzen, dass es
geschehe; und es ist nichtig, an ein Geschehen außer dem Setzen und
unabhängig von ihm zu denken. Umgekehrt, das Ich setzt sich, indem
beides geschieht und inwiefern es setzt, dass beides geschieht, und es
ist ebenso nichtig, an ein anderes Setzen des Ich zu denken. Es ist zum
mindesten unphilosophisch, zu glauben, dass das Ich noch etwas anderes
sei, als zugleich seine Tat und sein Produkt.
Sobald wir von dem Ich
als einem tätigen hören, ermangeln wir nicht, sogleich ein Substrat uns
einzubilden, in welchem die Tätigkeit als bloßes Vermögen inwohnen soll.
Dies ist nicht das Ich, sondern es ist ein Produkt unserer eigenen
Einbildungskraft, das wir auf Veranlassung der Anforderung, das Ich zu
denken, entwerfen. Das Ich ist nicht etwas, das Vermögen hat, es ist überhaupt kein Vermögen, sondern es ist handelnd; es ist, was es handelt, und wenn es nicht handelt, so ist es nichts. ...
Das Ich selbst macht
durch sein Handeln das Objekt; die Form seines Handelns ist selbst das
Objekt, und es ist an kein anderes Objekt zu denken. Dasjenige, dessen
Handelsweise notwendig ein Objekt wird, ist ein Ich, und das Ich selber
ist nichts weiter als ein solches, dessen bloße Handelsweise ein Objekt
wird. Handelt es mit sei- nem ganzen Vermögen - man muss sich wohl so
ausdrücken, um sich überhaupt ausdrücken zu können -, so ist es sich
selbst Objekt; handelt es nur mit einem Teile desselben, so hat es
etwas, das außer ihm sein soll, zum Ob- jekte.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 22f.
Nota. - Das Ich setzt sich, indem es absichtsvoll anschaut: Etwas anderes bedeutet sich-Setzen nicht. Es setzt sich, indem es sich ein/em NichtIch entgegensetzt: aus der unbestimmten Menge des Mannigfaltigen dieses heraus- greift und zu seinem Gegenstand macht. Zwei Ansichten derselben Handlung. Macht es dagegen sich selbst zu seinem Gegenstand, so fallen beide Ansichten zusammen: als intellektuelle Anschauung.
JE
Nota. Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
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Wenn das Objekt seinen Grund lediglich im Handeln des Ich hat und durch dieses vollständig bestimmt ist, so kann, wenn es eine Verschiedenheit unter den Objekten geben sollte, diese Verschiedenheit lediglich durch ver- schiedene / Handelsweisen des Ich entstehen. Jedes Objekt ist dem Ich so geworden, wie es ihm ist, weil das Ich bestimmt so gehandelt hat, wie es handelte; aber dass es so handelte, war notwendig; denn gerade eine sol- che Handlung gehörte unter die Bedingungen des Selbstbewusstseins. -
Indem man auf das Objekt reflektiert und die Handelsweise, durch welche es entsteht, davon unterscheidet, wird dieses Handeln, da aus dem angeführten Grunde das Objekt nicht als durch dasselbe, sondern ohne alles Zutun des (freien) Ich vorhanden erscheint, zu einem bloßen Begreifen, Auffassen und Umfassen eines Gegebe- nen. Man nennt sonach diese Handelsweise, wenn sie in der beschriebenen Abstraktion vorkommt, mit Recht einen Begriff.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 3f.
Nota. - Das Handeln selber kann ich anschauen. Die Reflexion erst unterscheidet den Gegenstand des Han- delns von dem, der handelt. - Nur das Handeln kann ich anschauen - und nur, während es geschieht. Hinter- her muss ich denken.
JE
Was ein organisiertes Naturprodukt sei und warum und inwiefern ein solches nur als ein Ganzes zu denken sei, lässt sich am besten erkennen durch die Vergleichung desselben mit einem Kunstprodukte; welches darin mit dem Naturprodukte übereinkommt, dass es nur als ein Ganzes denkbar ist. In beiden ist jeder Teil um jedes anderen willen, demnach um des Ganzen willen da, und die Urteilskraft wird daher bei der Betrachtung des einen wie des anderen von dem Setzen des einen Teils fortgetrieben zu allen, bis sie das Auffassen beendet hat.
Im Naturprodukt aber ist das Ganze auch um der Teile willen da; es hat keinen anderen Zweck als den, be- stimmt diese Teile zu produzieren. Im Kunstprodukt hingegen weist das Ganze nicht zurück auf die Teile, son- dern auf einen Zweck außer ihm; es ist Werkzeug zu etwas. Ferner, im Naturprodukte bringt jeder einzelne Teil durch seine innere Kraft sich selbst hervor. Im Kunstprodukt aber ist, ehe es nur Kunstprodukt werden konn- te, der innere Bildungstrieb getötet, und es ist gar nicht auf ihn, sondern auf die Zusammensetzung nach mecha- nischen Gesetzen gerechnet. Daher weist dies auf einen Urheber außer ihm zurück, da hingegen das Naturpro- dukt fortdauernd sich selbst hervorbringt und eben dadurch erhält.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 78
Nota. - Was ich nicht zuvor schon als ein artikuliertes Ganzes von Mannigfaltigem aufgefasst habe, kann ich nicht nur nicht begreifen, sondern nicht einmal begreifen wollen. Und dazu musste ich die Mannigfaltigen auf etwas bezogen denken, das außerhalb ihrer gedacht ist. Ich kann es nur denken als seine Bestimmung, seinen Sinn, seinen Zweck. Bei den Naturgegenständen muss ich annehmen, dieser Zweck sei ihre Ganzheit selber; es ist sogar diese Annahme, um deretwillen ich sie als Natur gegenstände auffasse.
Das ist aber nicht ein primäres Prädikat, ohne dessen Voraussetzung ich sie gar nicht wahrnehmen könnte. Das liegt vielmehr daran, dass ich als ein wesentlich Handelnder alles Sein nur als Handlung und jede Realität nur als Wirkung anschauen kann. Den toten Begriff zieht die Reflexion erst nachträglich davon ab - doch ohne zu ver- säumen, sich immer noch als Tribut an die Anschauung einen Schöpfer dazu auszumalen.
JE
Nota. Das
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Zuvörderst - wass heißt denn verstehen oder begreifen? Es heißt festsetzen, bestimmen, begrenzen. Ich habe eine Erschei- nung begriffen, wenn ich ein vollständiges Ganzes der Erkenntnis dadurch erhalten habe, das allen seinen Tei- len nach in sich begründet ist; wenn jedes durch alles und alles durch jedes Einzelne begründet oder erklärt wird. Dadurch erst ist es vollendet oder begrenzt. -
Ich habe nicht begriffen, wenn ich noch im Erklären bin, wenn mein Dafürhalten noch im Schweben und also noch nicht befestigt ist; wenn ich noch von Teilen meiner Erkenntnis zu anderen Teilen fortgerieben werde. (Ich habe A, welches ein Zufälliges sein soll, noch nicht begriffen, wenn ich nicht eine Ursache dafür, und, da dem A eine bestimmte Art der Zufälligkeit zukommrn muss, eine bestimmte Ursache dazu gedacht habe.)
Ich kann eine Erscheinung nicht verstehen, außer auf eine gewisse Art, heißt daher: Ich werde von den einzel- nen Teilen der Erscheinung immer fortgetrieben bis auf einen gewisssen Punkt, und erst bei diesem kann ich mein Aufsammeln ordnen und das Aufgesammelte in ein Ganzes der Erkenntnis zusammenfassen.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 77
Nota. - Es ist ein Zirkel: Ich muss die Erscheinung vorab bereits als diese eine gemeint haben, bevor ich sie in Teile zerlegen und sie aus ihnen wieder zusammensetzen kann. Aber es ist ein pragmatischer Zirkel. Denn ob er gelingt, muss sich bei jeder Begriffsbildung erst noch erweisen. Erweisen woran? An der Absicht, in der ich auf die Er- scheinung gemerkt habe. Der Zweck begriff ist immer erst ein gewagter; als Begriff muss er sich noch bewähren. Das Wollen ist die Triebkraft des Erkennens.
JE
fotocommunity
Das Ich selbst macht durch sein Handeln das Objekt; die Form seines Handelns ist selbst das Objekt, und es ist an kein anderes Objekt zu denken. Dasjenige, dessen Handelsweise notwendig ein Objekt wird, ist ein Ich, und das Ich selber ist nichts weiter als ein solches, dessen bloße Handelsweise ein Objekt wird. Handelt es mit sei- nem ganzen Vermögen - man muss sich wohl so ausdrücken, um sich überhaupt ausdrücken zu können -, so ist es sich selbst Objekt; handelt es nur mit einem Teile desselben, so hat es etwas, das außer ihm sein soll, zum Objekte.
Sich selbst in dieser Identitäüt des Handelns und Behandeltwerdens - nicht im Handeln, nicht im Behandelt- werden, sondern in der Identität beider - ergreifen und gleichsam auf der Tat überraschen, heißt das reine Ich ergreifen und sich des Gesichtspunkts der transzendentalen Philosophie bemächtigen.
Dieses Talent scheint manchem ganz und gar versagt zu sein. Wer beides nur einzeln und abgesondert sehen kann und auch, wenn er sich Mühe gibt, den angezeigten Gedanken immer nur so, wie es sich trifft, entweder als das Tätige oder als das Objekt der Tätigkeit ergreift, erhält durch beide in ihrer Absonderung ganz wider- sprechende Resultate, die nur scheinbar vereinigt werden können, weil sie es nicht gleich vom Anfange an waren.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 23
B. Cellini
Durch diese Wechselwirkung zwischen Anschauen und Wollen des Ich wird erst das Ich selbst und alles, was für das Ich (für die Vernunft) ist, d. h. alles, was überhaupt ist, möglich.
Zuvörderst das Ich selbst. - Es soll, dürfte man sagen, eine Wechselwirkung zwischen dem Anschauen und Wollen des Ich der Möglichkeit des Ich selbst vorhergehen; im Ich soll etwas sein, das in Wechselwirkung steht, ehe das Ich selbst ist; und dies sei widersprechend. Aber gerade hier liegt die Täuschung, welche abgehalten werden soll.
Das Anschauen und Wollen geht dem Ich weder vorher noch nachher, sondern es ist selbst das Ich; es ge- schieht beides nur, inwiefern das Ich sich selbst setzt, es geschieht nur in diesem Setzen und durch dieses Setzen, dass es geschehe; und es ist nichtig, an ein Geschehen außer dem Setzen und unabhängig von ihm zu denken. Umgekehrt, das Ich setzt sich, indem beides geschieht und inwiefern es setzt, dass beides geschieht, und es ist ebenso nichtig, an ein anderes Setzen des Ich zu denken. Es ist zum mindesten unphilosophisch, zu glauben, dass das Ich noch etwas anderes sei, als zugleich seine Tat und sein Produkt.
Sobald wir von dem Ich als einem tätigen hören, ermangeln wir nicht, sogleich ein Substrat uns einzubilden, in welchem die Tätigkeit als bloßes Vermögen inwohnen soll. Dies ist nicht das Ich, sondern es ist ein Produkt unserer eigenen Einbildungskraft, das wir auf Veranlassung der Anforderung, das Ich zu denken, entwerfen. Das Ich ist nicht etwas, das Vermögen hat, es ist überhaupt kein Vermögen, sondern es ist handelnd; es ist, was es handelt, und wenn es nicht handelt, so ist es nichts.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 22
Nota. - Das-Ich-ist-kei-ne-Sub-stanz. Ich ist dasjenige, was wirklich handelt: Das ist der Ausgangspunkt. Ge- nauer gesagt: In der Transzendentalphilosophie, der es um die kritische Sichtung der Vernunft geht, ist das Ich dasjenige an den wirklichen Subjekten, was vernünftig handelt. Sie hat dieses im analytischen Rückgang aus jener destilliert, um dann jene aus diesem zu rekonstruieren. Dass es ein Ich gibt, welches vernünftig handelt, war der sachliche Ausgangspunkt.
Dass nicht alles im Leben vernünftig zugeht, ist, wenn auch unausdrücklich, derselbe Ausgangspunkt; denn wel- chen Anlass hätte die Vernunft sonst, über sich selber Gericht zu halten! Es gilt also zu verstehen, dass Vernunft zwar einerseits in den Menschen steckt, doch andererseits nicht den ganzen Menschen ausmacht. Ausgezeichneter Gegenstand der Philosophie ist sie, weil sie dasjenige im oder am Menschen ist, was durch Freiheit möglich ist und ihm nicht durch sein Herkommen zudiktiert wurde; weil sie nur durch Freiheit möglich ist; weil nur durch sie Freiheit möglich ist; weil durch sie nur Freiheit möglich ist.
Daraus folgt, dass den wirklichen Subjekten Vernunft zuzumuten ist, weil ihnen Freiheit zuzumuten ist. Der Mensch kann, was er soll. Wenn er sagt, er kann nicht, dann will er nicht.
JE
hylê, materia
Daher kommt es, dass wir uns nur setzen können als verändernd die Form der Dinge, keineswegs aber den Stoff, dass wir uns wohl des Vermögens bewusst sind, die Gestalten der Dinge ins Unendlichen zu verändern, aber des Unvermögens, dieselben hervorzubringen oder zu vernichten, und dass die Materie für uns weder vermehrt noch vermindert werden kann, und auf diesem Gesichtspunkte des gemeinen Bewusstseins, keines- wegs aber auf dem der transzendentalen Philosophie, ist uns ursprünglich ein Stoff gegeben.*
*) Eine Philosophie, die von Tatsachen des Bewusstseins, von dem, was man findet, wenn man das Ich bloß als das Behandelte ansieht, ausgeht, kann über jene Grenze, wo ein Stoff gegeben ist, nicht hinausgehen, und ver- fällt sonach völlig konsequent, wenn sie jenen Satz aufstellt.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 29
Nota. - Die Frage, ob "es" dieses oder jenes "gibt", kann die kritische Philosophie nicht beantworten. Wen und was könnte sie mit "es" und "geben" denn meinen? 'Es gibt' keinen Stoff, das kann sie guten Gewissens sagen. Das bedeutet aber nicht, dass "es" Stoff "nicht gibt". Das wäre ebenso sinnlos.
JE
Endlich - das Vernunftwesen kann sich nicht wirkend setzen, ohne sich zugleich vorstellend zu setzen, es kann sich nicht setzen als wirkend auf ein bestimmtes Objekt, ohne dieses Objekt immerfort vorzustellen; es kann keine bestimmte Wirkung als vollendet setzen, ohne das Objekt, auf die sie gegangen, zu setzen. Nämlich da das Objekte gesetzt wird als die Wirksamkeit vernichtend, aber die Wirksankeit doch neben dem Objekt beste- hen soll, so entsteht / hier ein Widerstreit, der sich nur durch ein Schweben der Einbildungskraft, wodurch die Zeit entsteht,* vermitteln.
Die Wirksamkeit auf das Objekt geschieht daher sukzessiv in der Zeit. Wird nun auf ein und dasselbe Objekt gewirkt und sonach die Wirksamkeit in jedem gegenwärtigen Moment betrachtet als bedingt von den vorherge- henden, und mittelbar durch die in allen vorhergehenden: so wirdd der Zustand des Objekts in jedem Moment ebenfalls betrachtet als bedingt durch den in allen vorhergehenden Momenten, von der ersten Erkenntnis des Objekts an; und so bleibt das Objekt dasselbe, unerachtet es unaufhörlich verändert wird; nämlich als das durch die Einbildungskraft hervorgebrachte Substrat, um in demselben das Mannigfaltige zu verknüpfen, die Unterla- ge der unaufhörlich sich ausschließenden Akzidenzrn, welche man den bloßen Stoff nennt, bleibt dieselbe.
*) Man kann hierüber nachlesen Jacobi, Gespräch über Idealismus und Realismus, wo einleuchtend nachgewiesen wird, dass Zeitvorstellungen, die an sich dem reinen Begriff der Kausalität widersprechen, nur aus der Vor-stellung unserer eigenen Wirksamkeit auf die Dinge übertragen werden.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 28f.
Nota. - Hume war aufgefallen, dass aus der Erfahrung immer nur ein vorher/nachher kommt, aber nie ein weil/darum. Damit hat er Kant ein Licht aufgesteckt. Doch dass eben die Zeit bei der Kausalität der springende Punkt ist, hat jener nicht bemerkt.
Nietzsche dagegen hat die Analogie zum menschlichen Tätigsein bemerkt: "
Ich bemerke etwas und suche nach einem Grund dafür: das heißt ursprünglich: ich suche nach einer Absicht darin und vor allem nach einem, der Ab- sicht hat, nach einem Subjekt, einem Täter: alles Geschehen ein Tun – ehemals sah man in allem
Geschehen Ab- sichten, dies ist unsere älteste Gewohnheit. – Die Frage »warum?« ist immer die Frage nach der causa finalis, nach einem »Wozu?«" Aus dem Nachlass, [550]
Doch so kritisch er auch war: Nach der Zeit hat er nicht weiter gefragt.
Fichte dagegen trennt die Vorstellung vorher/nachher von der Vorstellung der Dauer. In der eigentlichen Kausal- vorstellung wenn/dann ist ein Verlaufen der Zeit gerade nicht gemeint. Das wäre der 'Ort', wo eine reale Wir- kung geschieht. Die Kausalität, vorgestellt als irdische Erscheinung der rein logischen Folgerichtigkeit (Dependenz, sagt Fichte), hat dagegen keine Dauer, denn sie ist jenseits von Raum und Zeit.
Vorstellen können auch wir die logische Wirksamkeit nur in der Zeit, auch das wenn/dann; doch nur, weil wir die eine Bestimmung nicht zugleich mit der andern Bestimmung treffen können, sondern die eine immer nur im Un- terschied zu der andern: nach der andern. Doch eben darum können wir auch nachträglich wieder davon abstra- hieren: im Denken, durch den Begriff, denn der ist außerhalb der Zeit.
Die durch den Begriff gegebene Möglichkeit, logische Folgerichtigkeit mit reeller Wirksamkeit gleichzusetzen, ist der Urgrund aller metaphysischen Versuchung und allen Dogmatismus' des ansonsten so nüchternen gesunden Menschenverstands.
JE
J. Pollock, N° 6
Man denke das
Bestimmbare als Etwas. Dieses Prädikat kommt ihm zu, denn es ist
anschaubar. Unter diesem Etwas, welches in der Sphäre des Bestimmbaren
liegt, wählt die absolute Freiheit. Sie kann in ihrer Wahl nicht
gebunden sein, denn sonst wäre sie nicht Freiheit. Sie kann ins
Unendliche mehr oder weniger wählen, kein Teil ist ihr als der letzte
vorgeschrieben. Aus dieser Teilbarkeit ins Unendliche wird vieles folgen
(der Raum, die Zeit und die Dinge); unendlich teilbar ist alles, weil
es eine Sphäre für unsere Freiheit ist.
Hier ist die praktische Tätigkeit nicht gebunden, weil sie sonst aufhören müsste, Freiheit zu sein, aber darin
ist sie gebunden, dass sie nur aus dem Bestimmbaren wählen muss. Das
Bestimmbare erscheint nicht als hervorgebracht, weder durch ideale
noch durch reale Tätigkeit. Es erscheint als gegeben zur Wahl. Es ist
gegeben heißt nicht, es ist dem Ich überhaupt gegeben, sondern dem
wählenden praktischen Ich.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 57
Nota I - Was immer gegeben ist, ist als bestimmbar gegeben.
Nota II. -
Ich werde nicht müde, es zu wiederholen: Würde die Transzendentalphilosophie von nichts Wirklichem handeln, wäre sie überflüssig. Zwar füge ich hinzu: Wenn sie von Wirklichem handelte, von dem wir Erfahruung haben, wäre sie genauso überflüssig. Was aber bleibt übrig? Das, was geschehen sein muss, bevor wir Erfahungen machen konnten; will sagen: bevor wir zur Vernunft ka- men.
Wenn wir keine Erfahrung davon haben, können wir es nur rückblickend aus seinen Wirkungen spekulativ er- schließen. Es handelt sich ja nicht um etwas außer uns, das geschehen wäre, ohne dass wir dabei waren. Es lag nicht an dem, was geschehen ist, dass wir keine Erfahrung davon haben, sondern daran, dass uns die Fähigkeit zum Erfahren noch gefehlt hat. Ausgangspunkt unserer Reflexion ist also die Erfahrung; was ist sie, durch welche Leistung wird sie möglich, welches sind deren Bedingungen?
An obiger Stelle hat der Transzendentalphilosoph schon einige Schritte getan - auf seinem re konstruktiven Rückweg. Vom abstrakt-allgemeinen Ich ist die Rede.
Nicht von den wirklichen historischen Menschen wie du und ich: Die sind vielmehr alle in eine Welt gekommen, die anscheinend rundum bereits bestimmt war. Nämlich durch eine Reihe vernünftiger Wesen, in die wir hinein- geboren wurden. Dass uns dann im Lauf des Lebens immer mehr Sachen begegneten, die wider Erwarten noch unbestimmt waren, hat uns staunen gemacht, und wenn wir auf etwas stießen, das offenbar falsch bestimmt war, war es jedesmal ein Skandal. So ist die Philosophie entstanden, die Kritische zumal. Denn wenn er sich aufge- fordert fühlt, Vorgefundenes selber zu bestimmen, dämmert ihm der Verdacht, auch die vorgefundenen Bestim- mungen könnten von Ichen seinesgleichen vorgenommen sein - früher.
Die Transzendentalphilosophie entwirft nun ein Modell. Sie nimmt an ein noch unbeschriebenes Blatt - Lockes Tabula Rasa -, von dem nur eines schon feststeht: Von einem dort frei zu wählenden Punkt muss eine Linie zum entwickelten System unserer Vernunft führen. Und nun sucht sie Schritt für Schritt nach dieser Linie. Dieser Schritt führt in die richtige, jener Schritt in die falsche Richtung. Ob so oder so, kann man vorab nur ahnen, man wird es immer und immer wieder versuchen müssen.
Dann stößt besagtes Ich allerdings immer wieder auf ein ihm anschaulich Gegebenes, das nicht bestimmt und daher bestimmbar ist. Es ist nicht als dieses, sondern zur Wahl 'gegeben'.
Es liegt nicht 'im Wesen' des Etwas, dass es bestimmbar ist; es liegt vielmehr im Charakter des Ich, dass es be- stimmend ist, denn das macht seine Vernünftigkeit aus, welche die Voraussetzung der Untersuchung war. Sein Bestimmen geht ins Unendliche, denn nie kommt die Vernunft an ein Ende. Bestimmbar ist immer auch alles von andern bereits Vor bestimmte. Es ist unendlich fort- und folglich um bestimmbar. Vernunft ist wesentlich kri- tisch.
JE
Ich richte meine Aufmerksamkeit auf
den Zustand der Ruhe, in dieser Ruhe wird das, was eigentlich ein Täti-
ges ist, ein Gesetztes; es bleibt keine Tätigkeit mehr, sondern ein
Produkt, aber nicht etwa ein anderes Produkt als die Tätigkeit selbst,
kein Stoff, kein Ding, welches vor dem Vorstellen des Ich vorherging;
sondern bloß das Handeln wird dadurch, dass es angeschaut wird, fixiert;
so etwas heißt ein Begriff, im Gegensatz der Anschau- ung, welche auf die Tätigkeit als solche geht.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 32f.
Man nennt die innere Thätigkeit, in ihrer Ruhe aufgefasst, durchgängig den Begriff. ... Der
Begriff ist überall nichts anderes, als die Thätigkeit des Anschauens
selbst, nur nicht als Agilität, sondern als Ruhe und Bestimmtheit
aufgefasst. ...
Im
gemeinen Bewusstseyn kommen nur Begriffe vor, keinesweges Anschauungen
als solche; unerachtet der Begriff nur durch die Anschauung, jedoch ohne
unser Bewusstseyn, zu Stande gebracht wird. Zum Bewusst- seyn der
Anschauung erhebt man sich nur durch Freiheit, wie es soeben in Absicht
des Ich geschehen ist; und jede Anschauung mit Bewusstseyn bezieht sich
auf einen Begriff, der der Freiheit die Richtung andeutet. Daher kommt
es, dass überhaupt, so wie in unserem besonderen Falle, das Object der
Anschauung / vor der Anschauung
vorher daseyn soll. Dieses Objekt ist eben der Begriff. Nach unserer
gegenwärtigen Erörterung sieht man, dass dieser nichts anderes sey, als
die Anschauung selbst, nur nicht als solche, als Thätigkeit, sondern als
Ruhe aufgefasst.
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ders., Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre,[1797] SW I, S. 533f.
Begreifen heißt,
ein Denken an ein anderes anknüpfen, das erstere vermittelst des
letzteren denken. Wo eine solche Vermittlung möglich ist, da ist nicht
Freiheit, sondern Mechanismus.
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ders., Das System der Sittenlehre nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW IV, S. 182
Nota. - Der Begriff ist nicht die Anschauung selber, sondern deren Bild: Ein Schema. Er ist nicht, wie jene, Stoff des Denkens, sondern sein Fixativ. Denn nur als ein Fixiertes kann es geprüft werden.
JE
Dann - der Begriff von der Wirksamkeit, der mit absoluter Freiheit entworfen und unter den gleichen Um- ständen ins Unendliche verschieden sein könnte, geht auf eine Wirksamkeit im Objekte. Mithin muss das Objekt ins Unendliche verändert werden können infolge eines ins unendliche veränderlichen Begriffs, man muss alles daraus machen können, was man daraus machen wollen kann. Es ist festgesetzt und könnte daher wohl durch seine Beharrlichkeit der Einwirkung widerstehen; aber es ist keiner Veränderung durch sich selbst fähig (es kann keine Wirkung anfangen); es kann mithin dieser Einwirkung nicht zuwider handeln.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 28
Nota. - 'Der Begriff seiner Wirksamkeit, der vom Ich mit absoluter Freiheit entworfen...'.
Die Zwecke mögen unendlich viele sein, aber das Objekt, das noch in keiner Weise bestimmt ist, weil es sich nicht bestimmen kann, ist als totes Sein immer nur leidend, und so ist es "unabänderlich bestimmt": als Objekt und sonst nichts. Es kann den möglichen Bestimmungen durch das Ich passiv widerstehen, aber sich ihrer nicht aktiv erwehren.
Was immer einem realen Objekt für Bestimmungen zukommen mögen - sie wurden ihm von einem Ich an ge- tan.
JE
Nota. Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
Sisyphus Franz Xaver Stöber
II. Durch jenes Setzen einer freien Tätigkeit wird die Sinnenwelt zugleich bestimmt, d. i. sie wird mit gewissen unveränderlichen und allgemeinen Merkmalen gesetzt.
Zuvörderst - der Begriff von der Wirksamkeit des Vernunftwesens ist durch absolute Freiheit entworfen; das Objekt in der Sinnenwelt als das Gegenteil derselben ist also festgesetzt, fixiert, unabänderlich bestimmt. Das Ich ist ins unendliche bestimmbar; das Objekt, weil es ein solches ist, auf einmal für immer bestimmt. Das Ich ist, was es sei, im Handeln, das Objekt ist Sein. Das Ich ist unaufhörlich im Werden, es ist in ihm gar nichts Dau- erndes; das Objekt ist, so wie es ist, für immer; ist, was es war und was es sein wird. Im Ich liegt der letzte Grund seines Handelns; im Objekt der seines Seins: denn es hat weiter nichts als Sein.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 28
Nota. - Das Ich 'ist' wesentlich nichts als seine prädikative Qualität, und diese Qualität ist nicht, als wenn sie wirkt.
JE
Joshua Rreynolds
II. Diese Sphäre wird gesetzt durch eine usprüngliche und notwendige Tätigkeit des Ich, d. h. sie wird angeschaut und wird dadurch zu einem Reellen.
- Da gewisse Resultate der Wissenschaftslehre nicht füglich vorausgesetzt werden können, so stelle ich die hier nötigen kurz vor. - Man hat nicht die leiseste Ahnung, wovon bei der transzendentalen Philosophie und ganz eigentlich bei Kant die Rede sei, wenn man glaubt, dass beim Anschauen es außer dem Anschauenden und der Anschauung noch ein Ding, etwa einen Stoff, / gebe, auf welchen die Anschauung gehe, wie etwas der gemeine Menschenverstand das leibliche Sehen zu denken pflegt.
Durch das Anschauen selbst und lediglich dadurch entsteht das Angeschaute; das Ich geht in sich selbst zurück; und diese Handlung gibt Anschauung und Angeschautes zugleich; die Vernunft (das Ich) ist in der Anschauung keineswegs leidend, sondern absolut tätig; sie ist in ihr produktives Einbildungsvermögen. Es wird durch das Schauen etwas hingeworfen, etwa, wenn man ein Gleichnis will, wie der Maler aus seinem Auge die vollendete Gestalt auf die Fläche hinwirft, gleichsam hinsieht, ehe die langsame Hand ihre Umrisse nachmachen kann. Auf dieselbe Weise wird hier die genannte Sphäre gesetzt.
Ferner - das sich selber als tätig anschauende Ich schaut seine Tätigkeit an als ein Linienziehen. Dieses ist das ur- sprüngliche Schema der Tätigkeit überhaupt, wie jeder, der jene höchste Anschauung in sich erregen will, fin- den wird. Diese ursprüngliche Linie ist die reine Ausdehnung, das Gemeinsame der Zeit und des Raumes, aus welcher die letzteren erst durch Unterscheidung und weitere Bestimmung entstehen. Sie setzt nicht den Raum voraus, sondern der Raum setzt sie voraus; und die Linien im Raume, d. h. die Grenzen der in ihm Ausgedehn- ten, sind etwas ganz Anderes. Ebenso geschieht in den Linien die Produktion der Sphäre, von welcher hier die Rede ist, und sie wird dadurch ein Ausgedehntes.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 57f.
Nota. - Die Wissenschaftslehre ist nicht auf der Suche nach dem wirklich Wahren. Sie ist nicht Metaphysik, son- dern Vernunftkritik. Sie will den Gang unseres Vorstellens zuerst ergründen und dann nachzeichnen.
Wohlbemerkt nicht unseres wirklichen Vorstellens. Das mag bei dem einen so, bei dem andern anders ausfallen, und dabei ganz verschiedene Ergebnisse zeitigen. Sondern das Vorstellen nach seinem formalen Schema, unab- hängig davon, was in specie vorgestellt wird.
Ausgehen kann das Vorstellen immer nur vom Anschauen. Der gemeine Menschenverstand schaut Etwas an. Etwas, das ist. Der kritische Philosoph dagegen weiß: Für mich 'ist' nur, was ich fühle, weil und indem es meiner Tätigkeit Widerstand leistet. Was ich anschaue, ist daher nicht der Gegenstand, sondern das Gefühl, das ich durch seinen Widerstand erfahre. Auf sein (Da-)Sein schließe ich nur aus meinem Gefühl. Bedingung ist immer mein Tätigsein.
Daher ist auch mein Anschauen nicht Empfangen eines Eindrucks, sondern Setzen eines Bildes. Das Gefühl 'ist'. Aber was es ist - wie ich es fühle, als was ich es fühle - bestimme Ich.
Ein Raum ist nicht da, bevor ich nicht etwas in ihn hinein sehe: 'eine Linie ziehe'. Eine Zeit ist nicht da, bevor in nicht etwas tue, das dauert. Raum und Zeit sind Orte meines Tätigseins. Ohne mein Tätigsein 'gäbe es' sie nicht.
Eine Sphäre meiner Freiheit gäbe es nicht, wenn ich sie nicht in Anspruch nähme.
JE
peoplecheck
Confer den § 1 der gedruckten Wissenschaftslehre,*
wo dasselbe auf eine andere Weise gesagt ist, es wird nämlich dort vom
Begriffe zur Anschauung übergegangen, hier ists aber umgekehrt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 33
*) Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, Hamburg 1979, S. 11-21
Nota. - Das ist der große Erkenntnisfortschritt der Nova methodo und
macht, dass ihr im Werdegang der Wissenschaftslehre ein Sonderplatz
gebührt. Denn erst hier hat sie die Form gefunden, die ihr der Sache
nach zukommt.
Sie will zeigen, wie und auf welchen Wegen das von der Transzendentalphilosophie vorgefundene System der Vernunft entstanden ist, das sie ihrer Kritik, ihrer wertenden Prüfung unterzieht. Denn eben darin besteht die Kritik: Darstellung seiner Genesis.
Dabei
kann sie sich offenbar der Instrumente dieses Systems, das sie allerst
ergründen will, nicht schon bedie- nen. So aber ging die Grundlage an ihre Aufgabe: mit dem Begriff des 'Ich'. Der wurde zwar dialektisch hin und her gewendet und nach allen Seiten hin abgeklopft. Doch wie er zu Stande kommt und warum er nicht umgan- gen werden kann, wird auf die Weise nicht ersichtlich.
Er ist auch nicht wirklich der Ausgangspunkt des transzendentalen Systems. Als ihm zu Grunde liegend muss gedacht werden die vorstellende Tätigkeit alias Einbildungskraft selbst. Nun ist Tätigkeit zwar anschaubar. Aber denken lässt sie sich nur als die Tätigkeit eines Subjekts. Darzustellen, wie die ganz unbestimmte Tätigkeit sich-selbst bestimmt zum wirklichen Wollen eines wirklichen Ich, erfordert einen tiefen Griff in die dialektische Trick- kiste, doch ohne den steht die Transzendentalphilosophie eben nicht auf eigenen Füßen.
JE
Nach der rationalistischen Auffassung, die bei uns die landläufige ist, werden die Bedeutungen durch die Be- griffe
konstituiert. Nach Fichte entstehen die Bedeutungen dagegen in der
Vorstellung; durch den Begriff werden sie lediglich fassbar und
fungibel: können mit anderen verglichen und verknüpft und an Andere wei- tergegeben werden. Verständiger Verkehr ist nicht ohne Begriffe möglich.
Aber auch keine Kritik. Es sind die Begriffe, in denen meine Welt mit unserer Welt verknüpft ist. Genauer ge- sagt: Erst durch die Begriffe entsteht unsere Welt. Den Individuen, die zur Welt kommen,
begegnet die Welt der Begriffe als Apriori, sie müssen sich darin
einrichten. Die Privatwelt der Irren ist nur möglich, weil sie die
Gel- tung der Begriffe ganz oder teilweise leugnen. Ihre Vorstellungen
sind ungebunden und unverbindlich.
30. 6. 15
In specie: Die intelligible Welt entsteht uns erst durch die Begriffe; die wirklichen Begriffe, wie sie in unsern Sprachspielen vorkommen. Denn die Sprachspiele stiften die Reihe venünftiger Wesen, und nichts anderes ist die intelligible Welt. Wie? Indem sie uns ermöglich, aus Frerheit gemeinsame Zwecke auszubilden, und nichts anderes ist Vernunft. Aus dem Zweck begriff jedoch ist der Begriff erst hervorgegangen - und zum andern ward durch ihn aus einem unbestimmt-'reinen' Willen erst ein wirkliches bestimmendes Wollen. Durch letzteres geht die intelligible Welt ein in die sinnliche - vermittels der Kraft.
In 'meine' Welt komme ich auf diesem Weg nicht zurück. Schon gar nicht dahin, wie sie ist. Doch dass sie ist?
Meine Welt als Gesamtheit meines vor-reflexiven Einbildens ist Teil meiner gesamten Person, sie ist mit meiner Gefühlswelt ebenso verbunden wie mein artikulierter Leib, empirisch geht eins in das andere über, wir unterschei- den erst - durch den Begriff - in der Reflexion.
Am Ende läufts auf die Trivialität hinaus: Mit unserer Welt ist meine Welt verbunden durch den im Begriff gefass- ten Zweck in der selben Weise, wie mein gefühlter, gedachter, gemeinter Gesamtzustand mit der sinnlichen Welt verbunden ist durch die Kraft. Doch nicht jede Trivialität fällt jedem jederzeit ins Aug. Manche muss man schon mal aussprechen.
JE
Wir haben nichts weiter zu tun, als die angezeigte Handlung zu analysieren; zu sehen, was denn eigentlich ge- schieht, indem sie geschieht.
I. Das Subjekt schreibt diese Sphäre sich zu; bestimmt durch dieselbe sich. Es setzt sie sonach sich entgegen. (Es selbst ist logisches Subjekt in dem möglichen Satze, den man sich denken kann; die genannte Sphäre aber das Prädikat; Subjekt aber und Prädikat sind immer entgegengesetzt.) Welches ist nun hier zuvörderst das Sub- jekt?
Offenbar das lediglich in sich selbst und auf sich selbst Tätige, das sich selbst Bestimmende zum Denken eines Objektes oder zum Wollen eines Zweckes, das Geistige, die bloße Ichhheit. Diesem nun wir entgegengesetzt eine begrenzte, aber ihm ausschließend angehörige Sphäre einer möglichen freien Handlung.. (Indem es diese sich zuschreibt, begrenzt es sich, und wird aus dem absolut formalen ein bestimmtes materiales Ich oder eine Per- son. Man wolle doch diese zwei sehr verschiedenen Begriffe, die hier abstechend genug neben einander gestellt werden, nicht weiter verwechseln.)
Sie wird ihm entgegengesetzt heißt: Sie wird von demselben ausgeschlossen, außer ihm gesetzt, abgetrennt von ihm und gänzlich geschieden. Wird dies bestimmter gedacht, so heißt es zuvörderst: Die Sphäre wird gesetzt als nicht vorhanden durch die in sich Tätigkeit, und diese als nicht vorhanden durch sie; beide sind gegenseitig unabhän- gig und zufällig für einander. Aber was zum Ich sich so verhält, gehört, nach dem Obigen, zur Welt. Die genann- te Sphäre wird sonach zuvörderst gesetzt als ein Teil der Welt.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 57
Nota. - Die Sphäre seiner Freiheit ist die Sphäre seiner Wirksamkeit. Sie liegt in der Welt; nämlich der realen Welt der Nichtiche. Sie ist das, was ich in anthropologischer Hinsicht mit unserer Welt bezeichne. Was ich dagegen meine Welt genannt habe, hat in der Transzendentalphilosophie gar keinen Platz. Sie ist eine 'Sphäre', in der das pp. Ich sich nicht als Objekt gegenübersteht, nicht für sich ist, und die nicht wirklich für es ist. Das Subjekt steht in ihr und sieht aus ihr heraus, aber nicht in sie hinein. Sie ist das Gebiet der Psychologen und Dichter.
Oder genauer: Dass es sie gibt, mag in die Transzendentalphilosophie gehören; aber sie selber nicht.
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Und zum Abschluss noch dies: Der Brennpunkt meines Teils von unserer Welt ist seine Grenze: nämlich immer da, wo meine Freiheit auf die Freiheit des Andern stößt. Diese Grenze wird ewig ajustiert und neu bestimmt werden müssen; mal im Kampf, mal im Vertrag. An ihr findet nämlich mein gesellschaftlicher Verkehr statt.
JE
Nota. Das
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